Themenarchiv

Instandsetzungsbericht von opus 1333

ProspektOBM Ulrich Büttner über die Instandsetzungsarbeiten an der außergewöhnlichen Orgel der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg.

 

Instandsetzungsbericht der Sauer-Orgel opus 1333 in der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg

Prospekt Die Orgel wurde 1926 in unserem Hause als opus 1333 erbaut. Sie verfügte über 22 Register, darunter 3 Transmissionen, die sich auf zwei Manuale und Pedal verteilen. Der Epoche entsprechend wurde die pneumatisch angesteuerte Taschenlade verwendet. Der Spieltisch steht „auf“ der Orgel, mit Blick auf den Blindprospekt, der einen hilfreichen Klangaustritt für den Organisten darstellt. Das eigentliche Instrument ist gut versteckt unter der Empore, hinter der Stoffbespannung, die einen überraschend klaren Klangaustritt bietet. Durch intensive Nutzung im festlichen wie auch wissenschaftlichen Bereich entstand der Wunsch die Orgel klanglich zu verstärken. Somit wurde die Orgel 1928 um 10 Register, z. T. Transmissionen erweitert. Nach den Kriegseinwirkungen, Löschwasser setzte dem Spieltisch und den darunterliegenden Windladen des Schwellwerkes kräftig zu, wurde das Instrument 1946 mit einfachen Mitteln wieder in einen spielfähigen Zustand versetzt.In den 70er Jahren erfolgte eine Höherstimmung von 435 auf 440 Hertz.
Die letzte Eintragung im Orgelbuch ist von Anfang der 80er Jahre, in dieser Zeit wurde die Orgel im Wesentlichen als Übinstrument genutzt.
Zum Zeitpunkt der Erstbesichtigung am 22.03.1994 war das Instrument nicht spielbar. Der originale Winderzeuger war abgeklemmt. Eine provisorische Inbetriebnahme durch das Musikwissenschaftliche Institut der MLU zeigte, das die Orgel nicht mehr spielfähig ist, es waren lediglich wenige Töne spielbar. Die Verschmutzung der Orgel, besonders durch Sanierungsmaßnahmen der Aula, war als hochgradig zu bezeichnen. Erste Untersuchungen der Orgel zeigten uns, hier hilft nur noch eine Generalinstandsetzung. Der Spieltisch, mit dessen sicherer Funktion die Gebrauchsfähigkeit eines pneumatischen Instrumentes steht und fällt, war generell zu überholen. Löschwasserschäden im Schwellwerk führten zu Durchstechern, Lederteile wie Taschen und Bälgchen der Tontraktur waren verschlissen oder verhärtet. Das Pfeifenwerk, besonders seine Stimmvorrichtungen, war konsequent zu überarbeiten.

Im Sommer 2006 bekamen wir nach einem letzten Gespräch vor Ort den Zuschlag für die Instandsetzung „unserer“ Orgel. (Man beachte dass seit der Erstbesichtigung 12 Jahre vergangen sind.) Und dann, im Herbst 2006 ging es endlich los. Sie entspricht so gar nicht dem üblichen Orgelbestand der ausklingenden Romantik mit ihrer Bärpfeife, den diversen Zusatzwindladen und der weit verzweigten Traktur. Es zeigt sich mal wieder: Orgelbauer sollten schlank sein.

Zerlegung des Instruments

Die Pfeifen wurden Registerweise ausgebaut, durch die Enge enge Stimmgängebedingt, haben wir uns Schritt für Schritt durch die Orgel gearbeitet und jeden eroberten cm sofort vom gröbsten Schmutz befreit. Zu beachten war die vorhandene Stellung der Pfeifen, Ausspracherichtungen und Hängevorrichtungen beispielsweise. Die langen, dünnen Schallbecher des Krummbhorn 8′ im Schwellwerk waren z.T. eingeknickt, sie stehen nun in einem neuen Oberraster. Fremdpfeifen, stark beschädigte und alle Zungenregister wurden für den Transport in die Werkstatt verpackt, das restliche Pfeifenwerk im Löwengebäude eingelagert. Weiter ging es mit Windladen und Traktur. Sämtliche Apparate wie Relais und Registereinschaltungen wurden demontiert und verladen. Die Windladen (auf denen Spieltischdie Pfeifen stehen) Spieltisch zerlegtkonnten nun geöffnet werden. Etwa 1700 Taschen (Pfeifenventile) wurden vorsichtig ausgebaut, nummeriert und verpackt. Der Spieltisch musste vor Ort zerlegt werden, da er trakturbedingt nicht „im Ganzen“ von der Orgel zu trennen war.

 

Die nächste Etappe:

Werkstattarbeit

Taschen

Es gab viel zu tun. Alle Taschenventile und etwa 600 Trakturbälgchen wurden in mühevoller Handarbeit zerlegt, gereinigt und neu beledert. Apparate wie z. B. Relais und Registereinschaltungen wurden komplett zerlegt und gereinigt. Ventildichtungen, Ledermuttern und Drähte sind nach Bedarf durch Neue ersetzt. Die Relais und Koppeleinrichtungen des Spieltisches erfuhren die gleiche Behandlung, des Weiteren wurden die Manualklaviaturen poliert und neu ausgetucht. Die Politur des Spieltischs ist mit Schellack aufgearbeitet und die stark ausgespielte Pedalklaviatur wurde ebenfalls überarbeitet.

In unserer Pfeifenwerkstatt wurden Fehl- und Fremdpfeifen der originalen Mensur entsprechend gefertigt. Relativ zeitintensiv war die Sanierung der Zungenregister. Nach deren Zerlegung stand die Reinigung aller Elemente an: oxidierte Zungenblätter und Kehlen, Einpassen der Kehlen und Keile, Gangbarmachung der Stimmkrücken, um nur einiges zu nennen. Zu guter letzt mussten noch die Pfeifenstöcke auf Dichtheit getestet und alle Pfeifenraster überarbeitet werden. Parallel dazu wird vor Ort das Orgelinnere saniert, Wände und Decke erhalten eine Gewebetapete um zu verhindern das loser Putz ins Pfeifenwerk fällt. Die komplette elektrische Anlage wurde modernisiert.

Es ist so weit:

Technische Montage

Markus Graser beim Reinigen der WindladenVier Orgelbauer, vier Bereiche. Markus Graser ist zuständig für Taschen und Windladen, seine Frau Renate kümmert sich mit Sven Manietta um das Pfeifenwerk, Ulrich Büttners Bereich ist Spieltisch und Traktur. Auf los geht’s los. Nach einer radikalen Reinigung durch die komplette Mannschaft, (man bedenke, drei kräftige Staubsauger und ein lauter Kompressor dürften die Nerven der unmittelbar neben uns Studierenden ziemlich beansprucht haben) befasst sich jeder mit seinen Aufgaben. Während das Pfeifenwerk gereinigt und saniert wurde beginnt der Aufbau des BlindprospektSpieltisches, das Einsetzen der Taschenventile, die Montage und Regulierung aller Relais und Apparate, Installation eines neuen Winderzeugers mit Schutzkasten und die Instandsetzung der Windanlage. Alles im Hinblick auf die erste Inbetriebnahme, um die drei Elemente Spieltisch, Traktur und Windladen unabhängig voneinander testen zu können. Wenn Wind in eine Orgel strömt, die fast 30 Jahre geschwiegen hat, so ist das für uns Orgelbauer immer ein besonderer Moment. Nach langwierigen Funktionstests und vielen Nebenbeiarbeiten wurde die technische Montage mit einem Angrillfest im März, das trotz der Kälte in wohliger Erinnerung bleibt, beendet.

Endlich, die Intonationsmontage

Alle Beteiligten sind neugierig, wie wird die Orgel, die in den Anfängen der Orgelbewegung konzipiert wurde, klingen. Zeitzeugen gibt es wenige und das Ohr kann sich nicht so gut erinnern wie z. B. die Nase und das Auge. Ulrich Büttner, Anja Liske und Christian Miethe sind für die Intonation zuständig. Das Erste fertig gestellte Register, Oktave 4′ im Hauptwerk lässt uns einige Tränen der Rührung in die Augen steigen. Die alte Dame spielt wieder. BärpfeifeNach und nach füllt sich der Registerbestand und die Freude darüber, welche Klangkombinationen mit dieser Orgel machbar sind. Zu erwähnen ist das zarte Gemshorn 8′, das liebliche Nachthorn 4′ oder die Bärpfeife 8′ im Hauptwerk, die so klingt wie sie heißt. Nachdem sich unser Altmeister und Chefintonateur Peter Fräßdorf vom erreichten Ergebnis überzeugt hatte, wurde am 3. August 2007 die Abnahme durch KMD Prof. Kupke empfohlen.

 

Ulrich Büttner, Orgelbaumeister, im August 2007

Photos von der Orgeleinweihung:

 Prof. Dr. Wulf Diepenbrock (MLU-Rektor) & Michael Schulz (Kaufm. Geschäftsfüher Fa. W. Sauer)  Gruppenphoto bei der Einweihung

Links:

  Photos & Informationen über die Restaurierungsarbeiten finden Sie hier… (http://kulturserver-san.de/home/michaelwuensche/aula/)

  Pressemitteilung vom Informationsdienst Wissenschaft…(idw-online.de/pages/de/news230865)

Disposition:

 Disposition von 1926:  Erweiterung von 1928:
 I. Hauptwerk C-g“‘ = 56 Töne  I. Hauptwerk C-g“‘ = 56 Töne
 01. Prinzipal
 02. Gedackt
 03. Oktave
 04. Blockflöte
 05. Waldflöte
 06. Mixtur
 07. Rankett
 08. Bärpfeife
      Tremulant
8′
8′
4′
4′
2′
4′
16′
8′
 23. Cornett
 24. Clairon
 25. Praestant
3-4fach
4′
2′ (Prinzipal 2′)
 II. Schwellwerk C-g“‘ = 56 Töne  II. Manual(nicht im Schweller) C-g“‘
 09. Gemshorn
 10. Quintatön
 11. Nachthorn
 12. Sesquialter
 13. Sifflöte
 14. Cymbel
 15. Krummhorn
 16. Geigendregal
      Tremulant
8′
8′
4′
2fach
1′
3fach
8′
4′
 26. Kupfergedackt
 27. Prinzipal
 28. Flachflöte
 29. Trompete
8′
4′
2′
8′
 Pedal C-f‘ = 30 Töne  Pedal C-f‘ = 30 Töne
 17. Untersatz
 18. Oktav
 19. Gedackt
 20. Flöte
 21. Singend Cornett
 22. Rankett
16′
8′
8′ Tr. von Nr. 2
4′ Tr. von Nr. 4
2′
16′ Tr. von Nr. 7
 30. Posaune
 31. Trompete
 32. Rauschpfeife
16′
8′ Tr. von Nr. 29
3fach