Erste Walcker-Orgel im alten Russland …
Montagebericht über die Arbeiten an der von der Firma Rieger-Kloss als opus 3256 erbauten Orgel in der staatl. Philharmonie Donetzk.
Die Orgel der Staatlichen Philharmonie Donetsk wurde im Jahr 1959 durch die Firma Rieger-Kloss als Opus 3256 erbaut. Die Geschichte des ursprünglichen Instruments beginnt jedoch wesentlich früher, nämlich im Jahr 1839 in Sankt Petersburg. Dort errichtete die geschichtsträchtige Orgelbaufirma E. F. Walcker ihre erste Orgel im damaligen Zarenreich mit 65 Registern. Im Jahr 1869 erfolgte dann der erste Umbau durch Walcker und 1910 wurde der Registerbestand dann noch einmal auf 75 Register erweitert. 1938 demontierte man die Orgel und verbrachte sie zur Wiederaufstellung nach Moskau. Aus bis heute ungeklärten Umständen wurde das Instrument auf diesem Transport so stark beschädigt, dass man es in Moskau nicht mehr aufstellte.
Erst im Jahr 1958 nahm sich die Firma Rieger-Kloss der Problematik an. Man zerlegte, reparierte, rekonstruierte und baute 1959 das neu geschaffene Werk unter Verwendung des alten Pfeifenwerkes wieder auf. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts erfolgte dann noch einmal eine Generalreparatur durch Rieger-Kloss und danach wurde es aus orgelbauerischer Sicht ziemlich ´´still´´ um das Instrument. Bekannte Organisten aus der Ukraine, aus Russland aber auch aus dem westeuropäischen Ausland gastierten immer wieder in Donetsk und bemängelten den doch recht desolaten Zustand der Orgel.
So wurde die Firma W. Sauer Frankfurt (Oder) im Januar 2007 aufgefordert, ein Kostenangebot für die anstehenden Arbeiten zu erstellen. Man verabredete sich vor Ort und noch im gleichen Monat erfolgte die Bestandsaufnahme. Die Begrüßung war, wie in der Ukraine üblich, sehr herzlich, doch der Zustand der Orgel bremste vorerst die anfängliche Freude.
Trocknungsschäden aber auch der Verschleiß vieler Leder- und Filzelemente waren bemerkenswert. Die Gesamtheit der Membranen war verhärtet und neigte zu reißen. Hier kam nur eine konsequente Erneuerung als dauerhaft positive Lösung in Frage.
Der Zustand des Pfeifenwerkes ließ ein großes Arbeitsvolumen für unseren Pfeifenmacher erahnen. Pfeifen der 8’-Lage des Pedals lagen verbogen und verbeult unter den Windladen, die Pfeifenmündungen war stark beschädigt und auch der Staub der Jahrzehnte hatte sich im Pfeifenwerk festgesetzt.
Der Spieltisch und alle schalttechnischen Einrichtungen entsprachen nicht mehr den heutigen Anforderungen eines konzertanten Orgelspiels. Eine klangliche und optische Aufwertung des Instruments erschien ebenfalls als unumgänglich. Hierzu wurde durch unsere Firma unter anderem der Einbau des Orgelregisters Chamade 16’ und 8’ (Horizontaltrompeten) empfohlen. Zurück in Deutschland wurde ein Konzept zur Regenerierung erarbeitet. Es folgten Vertragsverhandlungen und die Firma W. Sauer erhielt den Auftrag für das angebotene Projekt.
Von nun an war die „Philharmonie Donetsk„ in unseren Auftragsakten zu finden. Es wurde geplant, gezeichnet und gebaut. Nach dem Abschluss all dieser Vorbereitungen in unserer Werkstatt wurden sämtliche Materialien sorgfältig verpackt und in die Ukraine transportiert. Diesem Transport folgte am 18.05.2008 ein fünfköpfiges Montageteam nach Dontesk.
Vor Ort angekommen wurde unsere „neue„ Pfeifenwerkstatt eingerichtet, Bänke und Tische wurden zu einer mobilen Tischlerei umgebaut und auch eine Ecke für die anstehenden Lederarbeiten war schnell gefunden. Danach wurde das gesamte Pfeifenwerk, einschließlich der 16’ und 8’ Pfeifen des Prospektes, für eine grundlegende Überarbeitung ausgebaut.
Teile des Gehäuses wurden demontiert und für den in das Untergehäuse eingebauten Spieltisch hatte nun auch die letzte Stunde geschlagen. Der neue freistehende Spieltisch ´´wartete´´ bereits in der unteren Etage der Philharmonie und wurde schweißtreibend und mit Hilfe russischer Flüche unserer Helfer auf die Bühne des Konzertsaales befördert.
Membranleisten wurden abgebaut und neu bestückt, veraltete elektrische Elemente entfernt bzw. erneuert und auch das ´´Loch´´ im Bereich des alten Spieltisches wurde mit tischlerischem Geschick wieder geschlossen.
Unsere Helfer vor Ort isolierten die klimaabhängige Außenwand hinter der Orgel oder halfen uns bei der farbtechnischen Überarbeitung des Gehäuses. Nachdem die Blöcke zur Versorgung der Horizontaltrompeten in das alte Prospektbild eingepasst waren, konnten nun auch die Schallbecher montiert werden und so arbeiteten wir uns geduldig Stück für Stück durch das dreimanualige Instrument.
Doch wer viel arbeitet, verdient auch die ihm zustehende Erholung. Dies wussten unsere ukrainischen Freunde vor Ort nur all zu gut und organisierten für uns einen Sonntagsausflug zum Asowschen Meer. Speisen und Getränke wurden landesüblich in üppiger Menge serviert und auch die anfänglichen Verständigungsschwierigkeiten waren nach dem ersten Wodka schnell behoben.
Mit dem nächsten Tag brach für uns jedoch die letzte Montagewoche an und wir hatten noch einige Test- und Regulierungsarbeiten vor uns. Diese verliefen ohne größere Probleme und so konnten wir Anfang Juli die technisch fertige Orgel zur Intonation übergeben. Von nun an bestimmten die klanglichen Arbeiten das Geschehen in der Philharmonie. Erfahrungen und fachliches Können waren jetzt gefragt, um dem zum Teil fast 170 Jahre alten Pfeifenbestand wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Man arbeitete sich behutsam Register für Register vor, um die Orgel mit Abschluss aller Arbeiten im August 2008 wieder an die Philharmonie Donetsk übergeben zu können.
Die feierliche Einweihung des Instrumentes erfolgte am 1.Oktober mit Beginn der Konzertsaison in der Stadt. Mit dem Wirken bekannter russischer Organisten und unter dem Beifall eines ausverkauften Hauses gab man der Orgel einen neun Platz im Musikleben der Stadt Donetsk und sehr wahrscheinlich auch darüber hinaus.
Thomas Lang
Orgelbaumeister